ArtikelDie Swahili-Fibel
VerfasserHelmut Richter
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Kapitel2. Verben: aus dem Silbenbaukasten
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enthältFortsetzung des Kapitels

Die Details

Wozu und wie die verschiedenen Formen verwendet werden und was bei ihrer Bildung beachtet werden muss, soll weniger durch Grammatikregeln, sondern vor allem durch eine Sammlung von Beispielen vermittelt werden, in denen diese Formen vorkommen. Die Beispiele sind alle entnommen aus dem Neuen Testament in Swahili in der Übersetzung Habari Njema (Gute Nachricht). Weil die Beispiele die eigentliche Erklärung der Grammatik sind, sind die nachfolgenden Erläuterungen sehr kurz gehalten. Sie sind das Minimum, das notwendig ist, um die Beispiele zu verstehen, und umgekehrt braucht man die Beispiele, um die Erläuterungen zu verstehen.

Es ist versucht worden, die Reihenfolge so festzulegen, dass in den früheren Beispielen nichts vorkommt, was erst später erklärt wird. Ganz ist das nicht gelungen. Das ist nicht so schlimm, weil man die Beispiele ohnehin sicher mehr als einmal durcharbeiten muss. Man darf also getrost eine Verbform überblättern, die man noch nicht versteht. Wenn man aber durch alle Beispiele durch ist, sollte man auch eine Erklärung für jede der Verbfomen haben. Besonders schwer in einen schrittweisen Aufbau einzufügen waren die Infinitive und die Formen des Swahili-Verbs für das deutsche Verb sein; die wurden deswegen einfach an den Anfang und ans Ende der Erklärungen gestellt.

Infinitiv: viele Beispiele querbeet

Der Infinitiv hat zwei verschiedene Funktionen:

Die Verben enda und isha haben die Infinitive kwenda bzw. kwisha; die anderen Verben, die mit Vokal beginnen, haben Infinitive mit ku-. Das kw- gibt es aber auch dort, wenn der Infinitiv inzwischen ein eigenständiges Wort ist; man vergleiche kuanza (anzufangen) mit mara ya kwanza (das erste Mal, eigentlich: das Mal zum Anfangen), analog kwamba (dass, eigentlich: zu sagen).

Bei der Verneinung des Infinitivs wird kuto- davorgesetzt, was eigentlich ein anderer Infinitiv ist. Das zweite -ku- wird bei mehrsilbigen Verben meist weggelassen.

Zeiten: Beispiele 1.1 bis 1.4

Hier werden die zwei Vergangenheits- und drei Gegenwartsformen, die Zukunftsform sowie zwei Zeitformen, die relativ zu anderen Zeiten zu verstehen sind, erklärt. Weitere Formen wie Imperativ, Optativ und Konjunktiv kommen erst weiter unten.

Bei der Vergangenheit wird unterschieden, ob die Sache nur als vergangen berichtet wird (Zeitsilbe -li-, verneint ha-ku-, z.B. alikuja – er kam [und ging vielleicht wieder]; hakuja – er kam nicht) oder ob ein vergangenes Ereignis unmittelbar die Gegenwart beeinflusst (Zeitsilbe -me-, verneint ha-ja-, z.B. amekuja – er ist gekommen [und ist daher jetzt da]; hajaja – er ist [noch] nicht gekommen); siehe dazu die Beispiele 1.1 und 1.2, wobei in ersterem auch noch die anschließend erklärten relativen Zeiten vorkommen. Oft steht die erste dieser beiden Zeitstufen für das Präteritum im Deutschen und die zweite für das Perfekt. Bei Verben wie simama (stehen), kaa (sitzen) und lala (liegen) wird aber die Zeitsilbe -me- auch gebraucht wo im Deutschen die Gegenwart steht, z.B. amekaa (er sitzt, eigentlich: er hat sich gesetzt), siehe Beispiel 3.5. Für die Verneinung mit ha-ku- findet sich das Beispiel 4.6.

Unabhängig von der Zeitstufe gibt es die Zeitsilbe -ka-, die das Voranstehende fortsetzt und die Zeitsilbe -ki-, die Gleichzeitigkeit ausdrückt; siehe dazu die Beispiele 1.1 und 1.3. Ein Verb mit -ki- steht entweder nach einem anderen Verb, auf das sich die Zeit bezieht und drückt nur Gleichzeitigkeit aus wie in diesen Beispielen, oder aber davor und drückt eine Bedingung aus; letzteres wird erst später unter der Überschrift „Bedingungen“ erklärt. Eine Verneinung gibt es nur für Bedingungen und wird dort genauer erklärt. Wie man verneinte Gleichzeitigkeit oder Fortsetzung ausdrückt – was also im Deutschen „ohne dass [danach]“ hieße –, steht unter „Optativ“.

Bei der Gegenwart wird unterschieden zwischen einer bestimmten Zeit (Zeitsilbe -na-, z.B. ninakula – ich esse [jetzt gerade]), einem andauernden Zustand (Zeitsilbe -a-, z.B. nakupenda – ich liebe dich [andauernd]) und einer wiederholten oder gewohnheitsmäßigen Tätigkeit (Zeitsilbe hu- ohne Subjektsilbe davor, z.B. mimi hula [siku zote] – ich pflege [alle Tage] zu essen). Die Zeitsilbe -a- wird mit der davorstehenden Subjektsilbe verschmolzen wie in der Tabelle der Personal­pronomen angegeben. Die bestimmte Gegenwart kommt in vielen späteren Beispielen vor, etwa in 2.1, die beiden anderen in Beispiel 1.4. Bei der Verneinung wird der Unterschied zwischen den verschiedenen Gegenwartsformen nicht gemacht; Beispiele für verneinte Gegenwart sind 2.2 und 5.2.

Auch für die Zukunft (Zeitsilbe -ta-) kommen erst später Beispiele (3.6, 4.1, 4.2, 4.3, 5.1).

Relativsätze: Beispiele 2.1 bis 2.5

Ein Verb regiert einen Relativsatz, wenn es eine Relativsilbe enthält. Diese steht fast immer nach der Zeitsilbe. Nur in der unbestimmten Zeit, die gar keine Zeitsilbe hat, wenn es eine Relativsilbe gibt, steht diese ganz am Wortende.

Die Relativsilbe kann sich beziehen auf

Wie die Relativsilbe aussieht, ist nicht davon abhängig, ob sie sich auf das Subjekt oder das Objekt des Verbs bezieht. Für Lebewesen ist sie -ye- in der Einzahl und -o- in der Mehrzahl. Für Sachen gibt es viele verschiedene, die wir erst im dritten Kapitel kennenlernen werden und die wir daher beim ersten Studium der Beispiele einfach akzeptieren müssen, wie sie dastehen; man erkennt sie daran, dass sie alle mit -o enden.

Die Relativsilbe für die Zeit ist immer -po- und für die Art und Weise immer -vyo-. Für den Ort gibt es drei verschiedene: -po- für einen bestimmten festen Ort („dort wo“), -ko- für einen unbestimmten Ort oder für Anfang oder Ende einer Bewegung („wo auch immer“, „woher“, „wohin“, siehe auch Beispiele 4.6 und 5.2) und seltener -mo- für das Innere von etwas („worin“). Der Gebrauch von Relativsilben des Ortes, der Zeit oder der Art und Weise wird oft eingeleitet, etwa mit wakati …po… (die Zeit, als …), mahali …po… (der Ort, wo …), jinsi …vyo… (die Art und Weise, wie …) oder kama …vyo… (so, wie …). Allerdings tauchen -po- für die Zeit und -ko- und -mo- für den Ort häufig auch unvermittelt auf; bei den anderen ist das seltener.

Wie das alles verwendet wird, entnimmt man am einfachsten den Beispielen.

Optativ und Imperativ: Beispiele 3.1 bis 3.6

Mit dem Optativ wird ein Wunsch oder Zweck ausgedrückt. Eine andere Bezeichnung für dieselbe Form ist „Subjunktiv“, was von der Wortbedeutung weniger gut passt, aber eine Querverbindung zum französischen subjonctif herstellt, der im Französischen öfters dort steht, wo in Swahili ein Optativ hingehört. Die Bedeutung ist, dass etwas geschehen möge oder geschehen soll. Anders als im Deutschen, wo ein Satz wie „Ich sage ihm, er möge kommen“ recht aristokratisch klingt, ist der entsprechende Satz in Swahili ganz normale Alltagssprache: Ninamwambia aje.

Nahe verwandt ist der normale Imperativ, also die Befehlsform. Er besteht aus dem unveränderten Verbstamm, im Plural mit angehängter Silbe -ni (als Abkürzung von ninyi). Sobald mehr als der Verbstamm vorhanden ist, ändert sich ein Schlussvokal -a auf -e. Beispiel: tazama (schau), tazameni (schaut), nitazame (schau mich an), sitazame (schau nicht). Ein paar Imperative sind unregelmäßig: njoo/njoni von ja (kommen), nenda/nendeni oder enenda/enendeni von enda (gehen), lete/leteni von leta (bringen). Für sein verwendet man den Optativ uwe/mwe.

Der Optativ kann auch sonst als Imperativ verwendet werden und ist dann eher zurückhaltend oder höflich: usome (du mögest lesen) statt soma (lies) oder msome (ihr möget lesen) statt someni (lest). Beispiele für Imperative und für Optative, die Imperative ersetzen, sind 2.3, 3.1 und 3.2. Besonders die späteren Imperative in einer Kette und verneinte Imperative werden meistens durch Optative ersetzt.

Beispiel 3.3 enthält einen Optativ, der allein steht und so einen Wunsch oder Zweck ausdrückt. Das Wort na vor dem Verb verstärkt den Wunsch und hat sonst keine Bedeutung.

Steht ein nicht verneinter Optativ nach einem Aussagesatz, so zeigt er einen Zweck an, den man im Deutschen etwa mit damit wiedergeben kann, wie etwa in den Beispielen 3.4 und 4.6. Auch ein Imperativ, der von einem Optativ fortgesetzt wird, hat so eine Bedeutung, z.B. twaa usome (nimm und lies, eigentlich: nimm damit du liest). Verben des Verbietens und Verhinderns werden im gleichen Sinne mit einem verneinten Optativ verbunden, z.B. aliwazuia wasifanye hivyo (er hinderte sie, das zu tun; wörtl.: er hinderte sie, damit sie das nicht tun).

Verneinte Optative nach einem Aussagesatz bedeuten aber oft nicht damit nicht, wie man meinen sollte, sondern ohne dass wie in Beispiel 3.5; meist geht die Bedeutung aus dem Zusammenhang hervor. Will man aber eindeutig damit nicht ausdrücken, bildet man den verneinten Optativ von ja (kommen) und danach das Verb in der Zeitstufe der Fortsetzung wie in Beispiel 3.6 nisije nikamfanya (damit ich ihn nicht mache, wörtl.: ohne dass ich komme und ihn dann mache).

In Beispiel 5.4 kommt eine Form vor, die gleichzeitig die Zeitsilbe -ka- für die Abfolge und die Endung -e für den Optativ enthält; diese Kombination gibt es vor allem dann, wenn zuvor vom Hinbegeben an den Ort die Rede ist, wo dann etwas geschehen soll.

Bedingungen und Konjunktiv: Beispiele 4.1 bis 4.6

Steht ein Verb mit der Zeitsilbe -ki- (oder verneint mit -sipo-) am Anfang eines Satzes, so ist es eine Bedingung für das Folgende. Der Nebensatz, in dem es vorkommt, wird also typischerweise in der deutschen Übersetzung mit wenn eingeleitet wie in den Beispielen 4.1 bis 4.3. Das deutsche Wort wenn braucht dabei in Swahili nicht explizit vorzukommen, kann aber wie in Beispiel 4.2 als kama auftauchen; dieses Wort kennen wir aus Beispiel 2.5 schon in der Bedeutung wie.

Genau wie im Deutschen wird eine Möglichkeit durch eine spezielle Form, den Konjunktiv, ausgedrückt; und die Vergangenheit des Konjunktivs drückt gleichzeitig die mittlerweile eingetretene Unmöglichkeit aus: „du wärest gekommen“ heißt eben implizit „du bist aber nicht gekommen“. Stehen nun in Swahili in einem Satz zwei Konjunktive, ist einer – meist der erste, wenn keiner mit kama (wenn) bezeichnet ist – die Bedingung für den anderen wie in den Beispielen 4.4 und 4.5. Es gibt aber genauso auch Konjunktive, ohne dass es um eine Wenn-dann-Beziehung geht (Beispiel 4.6).

Für Bedingungen gibt es also drei Möglichkeiten, die Realität der Bedingung auszudrücken:

Im ersten Fall steht der von der Bedingung abhängige Satz in der passendsten Zeitstufe, in den beiden anderen Fällen hat er dieselbe Zeitstufe wie die Bedingung. Das Wort kama (wenn) ist in allen drei Fällen optional.

Das Verb „sein“: wieder viele Beispiele querbeet

Das Wort sein ist das einzige, das – wie in vielen Sprachen – eine gewisse Unregelmäßigkeit aufweist. Sie besteht darin, dass es dafür in Swahili zwei verschiedene Verben gibt, nämlich wa, wie in der Vokabelliste angegeben, sowie li, welches ein paar Formen hat, die bis zur Unkenntlichkeit verkürzt sind. Normalerweise werden diese beiden Verben nach den folgenden Regeln verwendet:

  1. Bei Sätzen in unbestimmter Zeit – das ist der häufigste Fall wenn im Deutschen sein in der Gegenwart verwendet wird – kann das Wort ni als Verbform von sein für alle Lebewesen und Sachen in Singular und Plural dienen, was natürlich extrem praktisch ist. Die Verneinung davon heißt si statt ni. Ist kein Substantiv oder Pronomen als Subjekt angegeben, so bezieht sich ni oder si auf das, wovon vorher die Rede war. Beispiele: 2.5 mit explizitem Pronomen, 3.5 und 4.4 ohne Subjekt)

  2. Alternativ dazu kann man auch die passende Subjektsilbe allein, also ganz ohne Verbstamm, verwenden; in der dritten Person Singular für Lebewesen heißt es allerdings yu statt a. Diese Variante wird vor allem zur Bildung von Formen verwendet, bei denen noch eine weitere Silbe ans Ende tritt wie im vierten Kapitel beschrieben, andernfalls ist sie selten. Die Verneinung dazu (ha- davor) gibt es überhaupt nur, wenn noch eine weitere Silbe folgt.

  3. Es gibt spezielle Formen für ich bin es usw.: sie bestehen für Lebewesen aus der Silbe ndi- und der zweiten Silbe des selbständigen Personal­pronomens, sonst aus der Silbe ndi- und der zuständigen Relativsilbe. In der letzten Zeile der ersten der beiden Tabellen oben sind sie aufgeführt. Die Verneinung davon wird gebildet, indem ndi- durch si- ersetzt wird (Beispiel 5.2).

  4. Relativbezüge in unbestimmter Zeit baut man mit dem Stamm li, also Subjektsilbe+li+Relativsilbe. Bei der Verneinung fällt li auch noch weg, also Subjektsilbe+si+Relativsilbe (Beispiele 2.5, 3.3, 5.1, 5.2).

  5. Alle anderen Formen bildet man ganz regelmäßig, wobei man den Verbstamm wa zugrundelegt (Beispiele 1.2, 2.4, 3.3, 4.2, 4.4, 4.5).

Die Formen nach den obigen Punkten 2, 4 und 5 bekommen dann eine zusätzliche Silbe -po, -ko oder -mo ganz ans Wortende, wenn es um das Sein an einem Ort geht. Aufgrund ihrer Stellung können diese Anhängsel nicht mit Relativsilben verwechselt werden, obwohl sie ganz genauso aussehen. Das wird erst im vierten Kapitel genauer erklärt und steht hier nur, damit man beim Lesen nicht verzweifelt nach Relativsätzen sucht, wo keine sind (Beispiele 2.3, 5.3).

Die obigen Regeln sind fast vollständig; es fehlen noch die Formen, die dem deutschen haben und es gibt entsprechen, und der Inhalt des letzten Absatzes gehört auch genauer erklärt. Im vierten Kapitel kommen diese Regeln noch einmal und dann vollständig. Das wird dort im Zusammenhang mit Ortsangaben erklärt. Man darf da gerne hineinsehen, wenn man neugierig ist, aber es fehlen eben ein paar Voraussetzungen.

Ähnlich wie im Deutschen gibt es auch zusammengesetzte Zeiten, um komplexere Zeitverhältnisse auszudrücken. Das soll anhand von Beispiel 5.3 erklärt werden: tutakuwa tumemfanya, wörtlich wir werden sein wir haben ihn gemacht, bedeutet wir werden ihn gemacht haben: als erstes steht das Verb wa (sein) in der richtigen Zeit aus Sicht des jetzigen Erzählers, als zweites das eigentliche Verb in der Zeitstufe aus Sicht der Zeitstufe der vorangegangen Form von wa. Ein weiteres Beispiel dafür ist 4.6.

Beispiele mit allem: 5.1 bis 5.4

Diese drei Beispiele sind schon in den voranstehenden Abschnitten angeführt worden. Sie zeichnen sich durch eine besonders hohe Dichte von unterschiedlichen Verbformen aus. Wer alle Verben darin korrekt analysieren kann, hat den Inhalt dieses Kapitels verstanden.