ArtikelDie Swahili-Fibel
VerfasserHelmut Richter
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Kapitel3. Substantive: keine klassenlose Gesellschaft
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Substantive: keine klassenlose Gesellschaft

Hier geht es um das, was im Deutschen Endungen an Substantiven und Adjektiven wären; in Swahili sind es aber stattdessen Wortanfänge. Bei derselben Gelegenheit lernt man, wie Mehrzahlen gebildet werden. Auch das ist ein umfangreiches Kapitel.

Überblick über die Klassen

Im ersten Kapitel war kurz erklärt worden, was es mit den Klassen der Substantive in Swahili auf sich hat: es sind im Wesentlichen die grammatikalischen Geschlechter, die wie gesagt mit den biologischen nichts zu tun haben. Dabei werden – anders als im Deutschen – Einzahl und Mehrzahl desselben Wortes manchmal, so auch hier, als zwei verschiedene Klassen gezählt. Dass in der Tabelle unten die Klassen 12 und 13 fehlen, liegt übrigens nicht am Aberglauben der Grammatiker, sondern daran, dass dieselbe Zählung auch für andere Bantusprachen verwendet wird, wo es weitere Klassen gibt. Manche der Klassen sind sich aber so ähnlich, dass man sie in der Praxis als gleich betrachten kann, zum Beispiel 11 und 14 oder 15 und 17. Die Nummerierung der Klassen ist die aus dem Online-Wörterbuch des Kamusi-Projekts. Außerdem sind in der nächsten Tabelle (und nur dort!) die Klassennummern aus dem gedruckten Langenscheidt-Wörterbuch Deutsch-Swahili in der ersten schattierten Spalte mit angegeben; dort werden dieselben Nummern für Einzahl und Mehrzahl verwendet, so dass die Entsprechung zu den deutschen Geschlechtern noch ein wenig enger ist. Dieselbe Nummerierung wie im Langenscheidt-Wörterbuch wird auch in dem Bändchen „Kisuaheli – Wort für Wort“ verwendet, in dem man die wichtigsten Wörter und Sätze mit guten Grammatik­erläuterungen findet.

In dieser Tabelle sind die wichtigsten Eigenschaften der Klassen zusammengestellt. Unter „Zahl“ steht, ob es sich um ein Wort im Singular (S) oder Plural (P) handelt oder um einen Allgemeinbegriff (A) oder eine Ortsangabe (O). Unter Allgemeinbegriff wird dabei ein Wort verstanden, das typischerweise keinen Plural hat, weil es abstrakt ist (z.B. utoto=Kindheit) oder weil es zwar konkret, aber nicht zählbar ist (z.B. maji=Wasser). Was es mit den Ortsangaben auf sich hat, kommt erst im vierten Kapitel und steht nur in dieser Tabelle, damit man sie dann nicht gleich wieder ergänzen muss.

Wie schon bei den Verben werden die Wörter nicht am Ende verändert wie im Deutschen (Kind → Kinder), sondern am Anfang (mtoto → watoto). Unter „Präfix Sub[stantiv]“ und in der letzten Spalte „Pluralbildung“ steht nun in der Tabelle, mit welchen Buchstaben das Wort beginnt und wie es sich bei dem Klassenwechsel verändert, der bei der Pluralbildung eintritt. Der Plural watoto von mtoto im Beispiel eben ist also die völlig regelmäßige Pluralbildung von Wörtern der Klasse 1, die ihren Plural alle in der Klasse 2 haben. Die Adjektive, die zu so einem Wort gehören, haben dann die unter „Präfix Adj[ektiv]“ angegebenen Wortanfang. Wie man sieht, ist es fast immer derselbe wie ihn das Substantiv auch hat. Stehen in einem Feld zwei Präfixe übereinander, gilt das erste, wenn der Stamm mit Konsonant und das zweite, wenn er mit Vokal beginnt. Steht über den beiden noch ein „–“ als dritte Option, so bedeutet das, dass vor einem Konsonanten das Präfix, also ji- (Klasse 5) bzw. n- (Klassen 9 und 10), sehr oft ganz wegfällt.

Die nächste Spalte der Tabelle heißt „Präfix Verb“ und enthält die Silbe, die bei der Bildung von Verbformen, wie wir sie im letzten Kapitel gelernt haben, für Subjekt oder Objekt eingesetzt wird. Dort waren alle Subjekte und Objekte Lebewesen: für die gibt es den Unterschied zwischen 1. (ich/wir), 2. (du/ihr) und 3. Person (er/sie). Für Sachen gibt es nur die 3. Person; schließlich wird man keinen Tisch mit „du“ anreden und keine Pflanze wird über sich selbst sprechen. Anders als bei Lebewesen gibt es bei Sachen auch keinen Unterschied dieser Silben in Abhängigkeit davon, ob sie als Subjekt oder Objekt auftreten. Beispiele: nyumba ilimfaa (das Haus taugte für ihn/sie) mit dem Sachsubjekt i- (es, Klasse 9) und dem Personenobjekt -m- (ihn/sie); aliiona nyumba (er/sie sah das Haus) mit dem Personensubjekt a- (er/sie) und dem Sachobjekt -i- (es, Klasse 9). Die Silbe -i- ist als Subjekt und Objekt dieselbe, und so ist bei allen Substantiven, die Sachen bezeichnen. (Die Beispielspalte „es“ in der Tabelle der Personalpräfixe im zweiten Kapitel enthielt an dieser Stelle i-; aus der Tabelle unten entnehmen wir, dass die Wörter, für die dieses Präfix verwendet wurde, also etwa mia, elfu, mara und jetzt eben gerade nyumba, offenbar der Klasse 9 angehören.)

Die Verb-Präfixe entsprechen grob den deutschen Pronomen: sie stehen nicht nur beim Verb als Personal­pronomen für Subjekt und Objekt, sondern treten auch bei der Bildung von Demonstrativ-, Relativ- und Possessiv­pronomen wieder in Erscheinung. Demgegenüber entsprechen die Substantiv- und Adjektiv-Präfixe eher den deutschen Endungen.

Schließlich gibt es noch eine weitere Spalte, die mit „-a“ überschrieben ist. Sie hat eine doppelte Bedeutung:

So, und hier ist die versprochene Tabelle. Die farbigen Felder tauchen in der nächsten Tabelle wieder auf.

Substantivklassen
Klasse Zahl Präfix -a Pluralbildung
L. hier Sub. Adj. Verb
11 S m-
mw-
a- wa Wörter der Klasse 1 haben den Plural in Klasse 2.
m- bzw. mw- wird zu wa-. Entsteht dabei wae- oder wai-, wird oft zu we- kontrahiert, ebenso waa- zu wa-; Details siehe unter der Tabelle
2 P wa- wa- wa
23 S m-
mw-
u- wa Wörter der Klasse 3 haben den Plural in Klasse 4.
m- bzw. mw- wird zu mi-. Details siehe unter Wörter mit m-
4 P mi- i- ya
45 S -
ji-
j-
li- la Wörter der Klasse 5 haben den Plural in Klasse 6.
Fast immer wird einfach ma- vor das Wort gesetzt; nur bei fünf Wörtern wird das Singularpräfix, das mit j- beginnt, vorher entfernt. – Es gibt auch Wörter in Klasse 6 ohne Singular in Klasse 5.
6 P,A ma- ya- ya
37 S ki-
ch-
ki- cha Wörter der Klasse 7 haben den Plural in Klasse 8.
Dabei wird ki- durch vi- bzw. ch- durch vy- ersetzt.
8 P vi-
vy-
vi- vya
59 S -
n-
ny-
i- ya Alle Wörter der Klasse 9 und und die meisten der Klasse 11 haben den Plural in Klasse 10.
Wörter der Klasse 9 bleiben unverändert. Bei Wörtern der Klasse 11, die mit w- beginnen, wird w- durch ny- ersetzt. Zweisilbige Wörter der Klasse 11, die mit u- beginnen, erhalten das ny- zusätzlich zum u- (so als würden sie mit wu- beginnen). Bei Wörtern der Klasse 11, die mit u- beginnen und mehr als eine weitere Silbe haben, wird das u- entfernt und n- vorne angefügt; bei der Anfügung von n- sind eine Reihe von Regeln zu beachten, die unter der Tabelle genau zusammengestellt sind.
10 P -
n-
ny-
zi- za
611 S u-
w-
m- u- wa
14 A u-
w-
m- u- wa meist kein Plural; einige Wörter haben Plural in Klasse 6
715 A ku-
(kw-)
ku-
kw-
ku- kwa kein Plural
16 O - pa-
p-
pa- pa Plural wie ohne Ortsbezug
17 O - ku-
kw-
ku- kwa
18 O - mu- m- mwa

Das Präfix richtet sich in vielen Fällen danach, welcher Laut folgt, insbesondere, ob das Wort mit Vokal oder Konsonant beginnt. Das wichtigste dazu steht schon in der Tabelle. Hier sind noch ein paar weitere Einzelheiten:

Schreibweise für Wortklassen

Zur Bezeichnung der Klasse eines einzelnen Wortes wird hier, wie eben schon geschehen, der Anfang der Pluralform in Klammern verwendet. Wie das genau zu lesen ist, steht im Kapitel „Substantive“ des Swahili-Wortschatzes.

Eine Bezeichnung wie „Klasse 9→10“ steht abkürzend für „im Singular Klasse 9 und im Plural Klasse 10“.

Weitere Details zu den Wortformen

Lebewesen und Sachen

Im vorangegangenen Kapitel haben wir uns, außer in der Beispielsammlung, nur mit Verbformen beschäftigt, bei denen Subjekt und Objekt Lebewesen waren. Die dort gelernten Formen tauchen hier wieder als Klasse 1 (Einzahl) und 2 (Mehrzahl) auf. Was nun, wenn Lebewesen in anderen Klassen als 1→2 stecken oder Sachen in Klasse 1→2?

Der zweite dieser Fälle tritt nie auf: Fast alle Wörter in Klasse 1→2 bezeichnen Menschen, und die wenigen anderen sind Tiere, also ebenfalls Lebewesen. Umgekehrt ist es aber recht häufig, dass Lebewesen in anderen Klassen als 1→2 auftreten: Menschen in praktisch allen Klassen, Tiere ganz überwiegend in Klasse 9→10. In fast allen Zusammenhängen gelten für alle diese Wörter die Formen der Klasse 1→2, weil es Lebewesen sind, und nicht die Formen der jeweiligen Klasse. Genau lauten die Regeln:

  • Der Plural richtet sich nach der Klasse; man könnte natürlich auch sagen, die Klasse bestimmt sich aus dem Plural. (Achtung: Es gibt auch Wörterbücher, die bei Lebewesen immer Klasse 1→2 angeben; die lassen die Nutzer dann raten, wie der Plural heißt. Weiß einer der geneigten Leser den Plural von mnandi (Kormoran); könnte (mi-), (-) oder (wa-) sein?)

  • Für Possessiv­pronomen, deren Form sich ja danach richtet, wovon der Besitzer genannt wird (also normalerweise nach dem davor stehenden Substantiv), gilt die Regel, dass sie in der Klasse 9 bei Menschen, nicht aber bei Tieren, und in der Klasse 10 bei allen Lebewesen mit dem y- von Klasse 9 bzw. dem z- von Klasse 10 beginnen. Die dazugehörigen Wörter für das deutsche von (also ya in Klasse 9 und za in Klasse 10) kann man in diesen Fällen ebenfalls verwenden; man darf sie aber auch durch wa wie in Klasse 1 und 2 ersetzen.

  • Die Wörter wake (Ehefrauen) und waume (Ehemänner) bekommen meist Possessiv­pronomen der Klasse 10, möglicherweise weil wake sowohl seine als auch Ehefrauen heißen kann. wake zake (seine Ehefrauen) wird auch zu wakeze zuammengezogen.

  • Auch die Wörter ndugu (Geschwister) und rafiki (Freund), die der Klasse 9→10 angehören, ziehen Possessiv­pronomen der Klasse 9→10 oft mit dem Wort zusammen und bilden Formen wie rafikiyo (dein Freund) und nduguze (seine Geschwister).

  • In allen anderen Fällen, also wenn die Klasse nicht 9 oder 10 ist oder bei Tieren in Klasse 9 oder wenn es um etwas anderes als Possessiv­pronomen geht, werden immer die Vorsilben der Klassen 1 und 2 verwendet.

Also: mwalimu wangu (mein Lehrer), walimu wangu (meine Lehrer), bwana wangu (mein Meister), mabwana wangu (meine Meister), ndugu yangu (mein Bruder), ndugu zangu (meine Geschwister), punda wangu (mein Esel), punda zangu (meine Esel). Diese Regeln werden nicht immer konsequent beachtet. Bei kleineren Tieren, denen man wenig Persönlichkeit unterstellt, wird oft auf die Anwendung der Formen der Klassen 1→2 verzichtet. Die obigen Regeln eröffnen aber wenigstens eine Möglichkeit, es richtig zu machen.

Kontraktionen von Substantiv und Possessiv­pronomen gibt es auch in Klasse 1→2; dann natürlich nicht mit den Endungen -ye, -yo, -ze und -zo; ebenso für mama und baba. Solche Formen sind etwa mamangu (meine Mutter), wenzake (seine Gefährten) und wenetu (unsere Kinder), sowie etwas anders gebildet mkewe (seine Frau) und mumeo (dein Mann). Ein wenig unregelmäßig zu bilden, sollte man sie doch verstehen.

Plural in Klasse 6

Manche Wörter der Klasse 9 bilden Plurale auch in Klasse 6 statt 10, oft mit leicht veränderter Bedeutung: marafiki (Freundeskreis) statt rafiki (einzelne Freunde), mababu (Ahnen) statt babu (Großväter), mabibi (Damen) statt bibi (Großmütter), masaa mawili (zwei Stunden) aber saa mbili (acht Uhr), maelfu mengi (viele Tausende) aber elfu tatu (dreitausend). Nicht immer wird die Differenzierung ganz konsequent gemacht.

Ländernamen in Klasse 14

Ländernamen mit U- gehören zwar sprachgeschichtlich in Klasse 14, werden aber konsequent als der Klasse 9 zugehörig behandelt: Ujerumani ya kusini (Süddeutschland), nicht etwa mit wa.

Veränderliche und unveränderliche Adjektive und Zahlen

Bei den Zahlen im ersten Kapitel gab es ja schon einen Unterschied zwischen denen arabischer Herkunft, die immer in der Grundform verwendet werden, und denen mit Bantu-Herkunft, die mit den Klassenpräfixen für Adjektive versehen werden. Genau dieselbe Unterscheidung wird für alle Adjektive gemacht: von jedem Adjektiv muss man wissen, ob es veränderlich oder unveränderlich ist. In der Wörterliste sind die veränderlichen mit einem Bindestrich am Wortanfang gekennzeichnet, der durch das passende Adjektivpräfix ersetzt werden muss. Beispiel: viatu vizuri (schöne Schuhe) aber viatu safi (saubere Schuhe).

© Helmut Richter